Informationen zum Medizinrecht
Informationen zur Arzthaftung:
I. Einführung:
In kaum einem anderen Lebensbereich unterwirft sich eine Person so sehr den Entscheidungen einer anderen Person und setzt mehr Vertrauen in dessen Kompetenz als im Bereich der ärztlichen Behandlung. Ärzte begleiten uns von unserer Geburt bis zum Tod und treffen dabei wichtige Entscheidungen, welche unser Leben in erheblichen Maße beeinflussen können. Gegenstand des Arzthaftungsrechts bildet die Haftung des Arztes für die Verletzung der ihm aufgrund des Behandlungsvertrages gegenüber dem Patienten obliegenden ärztlichen Pflichten. Verletzt der Arzt eine ihm obliegende Pflicht, so macht er sich gegenüber dem Patienten unter Umständen schadensersatzpflichtig.
Im Arzthaftungsrecht wird zwischen Behandlungsverschulden und Aufklärungsverschulden unterschieden. In beiden Fällen können sich Schadensersatzansprüche des Patienten gegen den Arzt ergeben.
II. Der Behandlungsfehler:
Ein Behandlungsverschulden ist gegeben, wenn der Arzt bei Vornahme einer Heilbehandlung gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstößt. Darunter versteht man die zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden medizinischen Standards. Der Standard richtet sich nach dem, was auf einem bestimmten Sachgebiet dem gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht und in der medizinischen Praxis zur Behandlung der jeweiligen gesundheitsrechtlichen Störung anerkannt ist. Verletzt der Arzt diesen Standard, macht er sich unter Umständen gegenüber dem Patienten schadensersatzpflichtig. Grundsätzlich muss der Patient alle Voraussetzungen für das Vorliegen eines Schadensersatzanspruches in einem Prozess zunächst darlegen und anschließend unter Beweis stellen. Hierzu ist es vor allem erforderlich, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem eingetretenen Schaden nachgewiesen werden kann. Aufgrund der sich daraus ergebenden Schwierigkeiten in der Praxis hat die Rechtsprechung dem Patienten jedoch eine erhebliche Beweiserleichterung zur Seite gestellt. Handelt es sich um einen groben Behandlungsfehler, so wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für den Schaden ursächlich war. Diese Vermutung muss durch den Arzt im Prozess dann widerlegt werden. Ein grober Behandlungsfehler liegt immer dann vor, wenn dem Arzt ein elementarer Behandlungsfehler unterläuft, der aus objektiver Sicht nicht mehr nachzuvollziehen ist. Auch die Häufung mehrerer einfacher Behandlungsfehler kann zu einem groben Behandlungsfehler führen.
III. Der Aufklärungsfehler:
Dem Arzt obliegen eine Vielzahl von Aufklärungspflichten. Man unterscheidet die folgenden Aufklärungspflichten:
- Diagnoseaufklärung
- Therapeutische Aufklärung
- Verlaufsaufklärung
- wirtschaftliche Aufklärung
- Risikoaufklärung
Die Diagnoseaufklärung verpflichtet den Arzt, den Patienten umfassend über das Ergebnis einer Untersuchung, also den Befund, zu informieren.
Im Rahmen der therapeutischen Aufklärung muss der Arzt den Patienten im Hinblick auf dessen künftiges Verhalten aufklären, um mögliche Schäden durch ein falsches Verhalten des Patienten nach der Behandlung zu verhindern.
Die Verlaufsaufklärung verpflichtet des Arzt, den Patienten über die Art und die Durchführung einer Behandlung zu informieren.
Darüber hinaus muss der Arzt den Patienten auch in wirtschaftlicher Hinsicht aufklären. Hierzu gehört die Aufklärung über die Kosten einer Behandlung genauso wie etwaige Zweifel des Arztes darüber, ob die Krankenkasse die Kosten der Behandlung trägt.
Die haftungsrechtlich wohl wichtigste Aufklärungspflicht des Arztes ist jedoch die so genannte Risikoaufklärung.
Risikoaufklärung:
Bereits Im Jahr 1894 entschied das Reichsgericht, dass jede von einem Arzt durchgeführte Heilbehandlung grundsätzlich eine Körperverletzung im strafrechtlichen Sinn darstellt. Die Strafbarkeit des Arztes entfällt nur, wenn der Patient vor Beginn der Heilbehandlung seine Einwilligung erteilt hat. Dies gilt natürlich nicht, wenn Gefahr in Verzug ist, also die Einwilligung nicht rechtzeitg eingeholt werden kann. Diese Rechtsauffassung gilt bis heute.
Hat der Patient nicht wirksam in eine Behandlung eingewilligt, macht sich der Arzt unter Umständen strafbar und schadensersatzpflichtig, selbst wenn er den Patienten geheilt hat. Dies betrifft alle Arten von Heilbehandlungen, nicht nur Operationen, sondern auch das Verabreichen einer Spritze oder das Verordnen eines Medikaments durch den Hausarzt oder eine Zahnbehandlung, aber auch die Durchführung von lebenserhaltenden Maßnahmen wie Beatmung oder Zwangsernährung. Insbesondere bei der Verordnung agressiver Medikamente ergeben sich in der Praxis erhebliche Probleme. Der BGH entschied, dass bei Verordnung agressiver Medikamente der Arzt zumindest über die auf dem Beipackzettel genannten Risiken und Nebenwirkungen aufklären muss.
Gerade in Krankenhäusern wird dem Patienten oft nicht einmal mitgeteilt welches Medikament ihm verabreicht wird. Besonders problematisch ist die Einführung der „aut-idem-Regelung“ im Jahr 2002, die den Apotheker verpflichtet unter Medikamenten verschiedener Hersteller mit dem selben Wirkstoff das kostengünstigste zu wählen, weil auch Medikamente mit dem selben Wirkstoff unterschiedliche Risiken und Nebenwirkungen haben können. Der Arzt muss also über alle Risiken sämtlicher wirkstoffgleicher Medikamente aufklären, was praktisch kaum möglich ist.
Aufgeklärt werden muss über alle behandlungstypischen Risiken, deren Kenntnis vom Patienten nicht erwartet werden kann – der Patient muss im „Großen und Ganzen“ wissen worin er einwilligt. Die Aushändigung eines Aufklärungsbogens, wie in Krankenhäusern üblich, reicht nicht aus – auch dann nicht, wenn der Patient schriftlich auf dem Aufklärungsbogen seine Einwilligung erklärt hat. Die Aufklärung hat in einem persönlich Gespräch durch den Arzt zu erfolgen. Bei sprachlichen Barrieren muss notfalls ein Dolmetscher hinzugezogen werden.
Um eine freie Willensentscheidung treffen zu können, muss die Aufklärung eine angemessene Zeit vor der Behandlung erfolgen, und nicht erst unmittelbar vor einer Operation oder einer Behandlung.
Der Patient muss über die nötige Urteilsfähigkeit verfügen. Sie fehlt in der Regel bei Kindern unter 14 Jahren und psychisch Kranken. Bei Kindern müssen deshalb beide Elternteile aufgeklärt werden und in die Behandlung einwilligen. Dies gilt auch nach einer Scheidung, außer das Sorgerecht wurde durch das Gericht ausdrücklich nur einem Elternteil zugesprochen. Bei einem psychisch Kranken hat die Aufklärung gegenüber einem vom Gericht bestellten Betreuer mit Aufgabenbereich Gesundheitssorge zu erfolgen. Dieser muss auch in die Behandlung einwilligen. Birgt die Behandlung die Gefahr einer schweren und längerdauernden Schädigung oder des Todes, muss zusätzlich eine Einwilligung des Gerichts eingeholt werden.
Im Gegensatz zur Haftung des Arztes wegen eines Behandlungsfehlers, bei welcher der Patient zum Beweis aller Tatsachen verpflichtet ist, muss im Prozess wegen der Verletzung einer Aufklärungspflicht grundsätzlich der Arzt beweisen, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten erfolgt ist. Dies gilt nur nicht bei der so genannten Diagnoseaufklärung. Die Verletzung der Diagnoseaufklärung wird von der Rechtsprechung als Behandlungsfehler eingestuft. Es gelten daher die zum Behandlungsfehler dargestellten Grundsätze.
IV. Welche Möglichkeiten hat der Patient, einen Schadensersatzanspruch gegen einen Arzt durchzusetzen?
Der Patient kann zunächst durch den medizinischen Dienst seiner Krankenkasse ein Gutachten einholen lassen. In dem Gutachten wird von sachverständigen Ärzten geprüft, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. Dieses Gutachten ersetzt zwar nicht das in einem späteren Schadensersatzprozess vom Gericht einzuholende Gutachten, liefert jedoch Anhaltspunkte dafür, ob sich ein solcher Prozess überhaupt lohnt. Das Gutachten beim Medizinischen Dienst ist grundsätzlich kostenlos und für den Patienten nicht verbindlich. Die Durchführung eines Schadensersatzprozesses ist somit auch nach Vorliegen des Gutachtens noch möglich, selbst wenn in dem Gutachten das Vorliegen eines Behandlungsfehlers verneint wurde. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die Einholung eines solchen Gutachtens eine längere Zeit in Anspruch nehmen kann und grundsätzlich nicht die laufende dreijährige Verjährung unterbricht. Vor Einholung eines solchen Gutachtens sollte aber immer zunächst Rücksprache mit einem Rechtsanwalt erfolgen um nicht eine Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche zu riskieren.
Wie das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse ist auch die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor der Gutachterkommision der zuständigen Landesärztekammer kostenlos. Die Landesärztekammern haben eigens zu diesem Zweck Gutachterkommissionen eingerichtet. Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens wird zunächst ein Gutachten eingeholt und anschließend beurteilt, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. An das Ergebnis des Verfahrens sind die Parteien nicht gebunden, so dass auch wenn das Vorliegen eines Behandlungsfehlers verneint wurde, immer noch ein gerichtliches Verfahren durchgeführt werden kann. Ein großer Vorteil des Schlichtungsverfahrens ist, dass die Einleitung des Verfahrens die Verjährung unterbricht, diese also während der Laufzeit des Verfahrens nicht weiterläuft. Im Regelfall dauert ein Verfahren vor der Gutachterkommission ein Jahr. Zwar ist ein Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens grundsätzlich formlos möglich, jedoch sollte frühzeitig ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden, damit der Verfahrensstoff gezielt aufbereitet werden kann.