Project Description
a) Der Vertretene, der auf Einladung zu einem Termin zur Verhandlung über einen bereits geschlossenen Vertrag einen Vertreter ohne Vertretungsmacht entsendet, muss sich dessen Erklärungen nach den zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben entwickelten Grundsätzen zurechnen lassen, wenn er den im über die Verhandlung erstellten Protokoll enthaltenen und unterschriebenen Erklärungen des Vertreters nicht unverzüglich nach Zugang des Protokolls widerspricht.
b) Der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ist dem Antragsgegner förmlich zuzustellen. BGB § 204 Abs. 1 Nr. 7; ZPO § 189
c) Die Verjährung wird auch dann gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB i.V.m. § 189 ZPO gehemmt, wenn der Antragsgegner den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens lediglich aufgrund einer formlosen Übersendung durch das Gericht erhalten hat. Auf den fehlenden Willen des Gerichts, eine förmliche Zustellung vorzunehmen, kommt es nicht an.
Leitsatz des BGH, aus BGH Urteil vom 27. Januar 2011 – VII ZR 186/09 – OLG Frankfurt
LG Gießen
Sachverhalt:
Die Klägerin ( öffentlicher Auftraggeber ) schloss mit der Beklagten einen Werkvertrag über die Erbringung von Holzbauarbeiten ab. Grundlage des schriftlichen Vertrages bildete ein Angebotstext, welcher von dem Architekten der Klägerin erstellt wurde. In dem Angebotstext wird unter dem Punkt Verjährung auf die Verjährung der VOB/B verwiesen ( damals 2 Jahre, heute 4 Jahre ). Die Klägerin erteilt den Zuschlag auf das Angebot der Beklagten und beauftragt diese.
Die Klägerin bestellte die Beklagte nach erfolgtem Vertragsabschluss zu einem Verhandlungstermin. An dem Verhandlungsterin nimmt für die Beklagte ein Mitarbeiter teil, welcher keine Vollmacht zum Abschluss von Vertragsänderungen hat. In der Verhandlung wird die Gewährleistungsfrist auf 5 Jahre verlängert. Über den Verhandlungstermin wird eine Protokoll erstellt, was von dem Mitarbeiter der Beklagten nach dem Termin unterschrieben wird. Eine Abschrift des Protokoll wird nach dem Termin an die Beklagte versendet. Diese erhebt gegen das Protokoll keine Widersprüche. Als ein Werkmangel betreffend die Leistung der Beklagten festgestellt wird, nimmt der Auftraggeber die Beklagte wegen des Mangels auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte beruft sich auf den Eintritt der Verjährung. Die Verlängerung der Verjährung auf 5 Jahre, nach der eine Verjährung noch nicht eingetreten wäre, sei unwirksam, da ihr Mitarbeiter keine Vollmacht zum Abschluss einer Vertragsänderung gehabt habe.
Entscheidung:
Der BGH führt in seiner Entscheidung aus, dass die Gewährleistungsansprüche der Klägerin noch nicht verjährt seien. Die vereinbarte Verlängerung der Verjährung auf 5 Jahre ist wirksam, auf eine fehlende Vollmacht könne sich die Beklagte nicht berufen.
Der BGH führt aus, dass es auf die Beurteilung des Vorliegens einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht im vorliegenden Fall nicht ankomme, da sich die Wirksamkeit der Vertragsänderung bereits aus einer analogen Anwendung der Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreibens ergibt. Der BGH führt insoweit aus, dass
wenn der Auftragnehmer zeitnah zu Verhandlungen über den bereits geschlossenen Vertrag das darüber erstellte Protokoll erhält und diesem Abänderungen des Vertrages erkennbar sind, der Auftragnehmer verpflichtet ist den Änderungen zu widersprechen. Der BGH führt in seiner Entscheidung weiter aus, dass die Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben zwar im vorliegenden Fall nicht unmittelbar angewendet werden können, da der Vertrag bereits abgeschlossen war und der Vertragsinhalt nicht erst durch das Bestätigungsschreiben festgelegt wurde, jedoch auf die Vertragsänderung die gleichen Grundsätze analog anzuwenden seien. Wie beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben ist die Vertragsänderung daher nur dann unwirksam, wenn es sich um eine vom ursprünglichen Vertrag so schwerwiegende Abweichung handelt, dass der Auftraggeber mit einer Zustimmung des Auftragnehmers zur Änderung der Vertragsbedingungen nicht rechnen durfte. Der BGH verneinte eine solche weitreichende Änderung der Vertragsbedingungen, da es allgemein üblich sei bei Bauverträgen die in der VOB/B geregelte kurze Verjährung durch die gesetzliche längere Verjährung zu ersetzen.
Bedeutung für die Praxis:
Die Entscheidung hat für die Praxis erhebliche Bedeutung. Der Auftragnehmer muss auf Grund dieser Entscheidung in Zukunft vermehrt mit Vertagsänderungen auch noch nach Vertragsabschluss rechnen. Diese Vertragsänderungen werden automatisch wirksam, wenn der Auftragnehmer auf etwaige Änderungen, welche ihm durch die Übersendung von Verhandlungsprotokollen bekannt werden, nicht unverzüglich ( also ohne schuldhaftes Zögern ) reagiert und diesen widerspricht. Findigen Auftraggebern ist durch die Entscheidung in Zukunft Tür und Tor geöffnet um unbemerkt Vertragsänderungen herbeizuführen. Der Auftraggeber braucht dem Auftragnehmer nur ein Protokoll über ein angebliches Gespäch mit einem der Mitarbeiter zu übersenden. Reagiert dieser nicht sofort, wird die im Protokoll behauptete Vertragsänderung wirksam ( nur soweit die Änderung nicht zu weitreichend ist ). In Zukunft ist dem Auftraggeber daher anzuraten besondere Sorgfalt auf die Lektüre von durch den Auftraggeber übersandten Schriftstücken zu verwenden.